Schule in der digitalen Dimension

Wir erleben zu Beginn des 21 Jahrhunderts etwas in der Geschichte der Menschheit vollkommen Neues, das unsere Welt und alle Bereiche unseres Lebens verändert” (Erik Brynjolfsson/ Andrew McAffee).

Der Digitalisierung, eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, wurde am Donnerstag dem 21.11 ein ganzer Thementag am Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium in Durmersheim gewidmet. Unter dem Titel „Schule in der digitalen Dimension” wurde den Besuchern ab 14:00 über das ganze Schulhaus hinweg ein vielseitiges Programm geboten. Gerichtet war dies an bildungspolitische Entscheidungsträger, Schulleitungen, Lehrer, alle Interessierten und Freunde des WHG.

Die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums hatten ab 13:00 schulfrei, viele waren aber in die Organisation des Tages und die Versorgung der Gäste involviert. Vor allem den Schülermedienmentoren, eine Gruppe von Schülern, welche in einer AG organisiert ist und sich um die Wartung der technisch-digitalen Installation der Schule kümmert, wurde viel Lob für ihr Engagement und ihre Fachkenntnis zuteil.

Nach der offiziellen Begrüßung des Schulleiters Thomas Dornblüth übergab dieser schnell das Wort an den Initiator der Veranstaltung, den stellvertretenden Schulleiter Thomas Kress. In seiner kurzen Einführung erklärte er zum einen die Schwierigkeiten und möglichen Nachteile der digitalen Umgestaltung von Schulen, vorausgesetzt man verlöre den eigentlichen Mehrwert aus den Augen. Der Vorteil für die Lernenden müsse im Zentrum stehen. Die große Chance der digitalen Medien bestünde darin, ergänzend eingesetzt zu werden. Denn, so Thomas Kress: „Wir sind keine digitale Schule und wir möchten auch keine digitale Schule sein, sondern ein gutes allgemeinbildendes Gymnasium in der digitalen Dimension.”

Es folgte ein Vortrag von Prof. Dr. Frank Thissen, welcher an der Hochschule für Medien in Stuttgart unterrichtet und sich seit Mitte der 80er Jahre mit den Möglichkeiten computerunterstützten Lernens beschäftigt. Zu Beginn seines von anschaulichen Zitaten und Beispielen gespickten Vortrags betonte Thissen die Vielschichtigkeit der Digitalisierung. Er sprach von ihrer außergewöhnlichen Geschwindigkeit, Unübersichtlichkeit und dem nie dagewesenen Ausmaß der Vernetzung. Auf diese enorme Komplexität müsse die moderne Schule vorbereiten. Doch wie bereitet man die sogenannte Generation Z auf eine Zukunft vor, von der keiner erahnen kann, wie sie einmal aussehen wird?

Laut Thissen ist es notwendig, die Schule neu zu erfinden. Es sei notwendig, weg von der durch Standardisierung geprägten Lehranstalt, welche Komplexitäten zu vermindern versuche und hin zur “Learning farm” zu kommen, in der sowohl Schulleitung als auch Lehrer die Kontrolle abgeben und somit als Begleitpersonen den Schülern zur Seite stehen könnten. Das Lernen sollte die Sache der Lernenden werden. Gelernt wird in diesem Fall nicht nach Fächern getrennt, sondern interdisziplinär und ohne Leistungsdruck, um sich die “21st century skills” anzueignen: Kreativität, Problemlösungskompetenz, Eigeninitiative, Kritisches Denken, Weltbürgerschaft.

Frank Thissen beendete seinen Vortrag poetisch mit der chinesischen Weisheit:

Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.”

Werkzeuge zum Windmühlen-Bauen wurden dann für die nächsten zwei Stunden, über alle drei Stockwerke von zahlreichen Ausstellern präsentiert. Konzepte zu Hardware/Software/Didaktik und die jeweiligen Fachleute standen bereit, sodass sich die Besucher direkt informieren und inspirieren lassen konnten. Im Erdgeschoss fand man zum Beispiel „Flip The Classroom“, eine Firma, die innovative Lernmethodik im Unterricht in Form von Erklärvideos nutzt und von zwei Lehrern des WHG gegründet wurde, im Klassenzimmer nebenan gelangte man zu „DSB“, was für „Digitales Schwarzes Brett” steht. Im ersten Obergeschoss waren Vertreter der zwei großen Schulverlage Klett und Cornelsen anwesend. Des Weiteren „Cotec“, eine Firma die datenschutzkonforme Office-Pakete für Schüler anbietet, und „Untis“, ein Onlinedienst, der die schulinterne Verwaltung erleichtert. Zur Klassenzimmertechnik waren „RBI Rittershofer“, „Stüber Systems Berlin“ und „Visucom“ anwesend. WLAN-Lösungen für Schulen wurden von „Octogate“ vorgestellt. Außerdem berichteten auch Lehrer und Schüler des WHG selbst von ihren Erfahrungen mit digitalem Lernen.

Der Landkreis Rastatt und das Medienzentrum Mittelbaden konnten die Interessierten über die politische Aufstellung ins Bild setzen. Auch „Sdui“, ein neuartiges Messengersystem, stieß auf viel Anklang.

Nach viel Ausprobieren und Austausch versammelten sich alle Besucher wieder in der Mensa. Auf der grünen Couch, wo sonst Schüler ihre Pausen verbringen, saßen nun die Bundestagsabgeordnete Gabriele Katzmarek, Prof. Dr. Thissen, Prof. Florêncio Bonnet vom Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Gymnasiallehrkräfte Karlsruhe, Lysann Jacob vom Landkreis Rastatt sowie der Schulleiter Thomas Dornblüth. Und zwischen ihnen Maximilian Kittel, der 2019 am WHG Abitur machte und geschickt mit aufgeweckten Fragen durch die nun folgende Podiumsdiskussion führte.

Die Schule sei ein geschützter Raum, wird dies durch die Digitalisierung gefährdet? Ist Chancengleichheit noch gegeben, wenn sich Schülerinnen und Schüler ein Device anschaffen müssen um mitzuhalten? Wer soll künftig für die Wartung der Geräte im Schulhaus zuständig sein? Macht es die Bürokratie den Schulen zu schwer, als dass sie vom Digitalpakt profitieren könnten? All dies wurde aus wissenschaftlicher, politischer und praktischer Warte aus vielseitig diskutiert, wobei auch die Frage aufkam, ob der Federkiel nicht mindestens genauso revolutionär wie der Computer sei, da er die digitalen Geräte in seiner Einfachheit überrage?

Auf einen gemeinsamen Nenner kam man dann bei der Feststellung, dass Bildung die Ressource der Zukunft sei und Schulen sich positiv wandeln müssten, um die Heranwachsenden auf das Kommende optimal vorzubereiten, dabei aber nicht ihr Wohl aus den Augen verlieren dürfen. Zusammenfassend wurde in lediglich fünf Stunden ein Großteil der facettenreichen Digitalisierungsangebote für Schulen dargeboten, in einer Schule, die sich selbst mit großen Schritten in die jetzt etwas klarere Zukunft der digitalen Dimension bewegt.

Jule Epple, J2