„Faust“ entspannt im Wohnzimmer

Das Kreilos-Theater sorgt für Abwechslung im Homeschooling

Seit Jahren kommt das Kreilos-Theater ans WHG. Diesmal haben die Deutsch-Kurse die Faust-Inszenierung des Kreilos-Theaters online angeschaut. Der vorliegende Bericht ist ein Gemeinschaftsprodukt der SchülerInnen aus dem Leistungsfach Deutsch und enthält neben den Streaming-Erfahrungen und einer Kritik auch einige von den Schauspielern und dem Regisseur beantwortete Fragen.

Unsere erste Frage richtete sich an Petra Ehrenberg, die Schauspielerin: Wie war es für Sie, den „Faust“ nur online vorzuführen?

Petra Ehrenberg:Für mich ist die Videoaufzeichnung ein bisschen wie ins Leere zu spielen. Ich weiß zwar, dass sich Menschen (ein Publikum) die Aufzeichnung ansehen, aber ich bekomme nicht mit, wie es ihnen dabei geht, ob was von der Bühne rüberkommt, ob es gefällt. Theater lebt ja eigentlich vom Live-Moment. Auch zu wissen, dass ich bei jeder (!) Video-Aufführung, für jedes (!) Publikum immer exakt genau gleich spreche, handle, spiele, ist für mich ein komisches Gefühl. Denn normalerweise ist jede Aufführung anders, über das regelmäßige live-Spielen entwickle ich oft die Figuren, die ich spiele, noch weiter, finde neue Aspekte in der Figur, die ich dann ins Spiel mit einfließen lasse. Die Videoproduktion an sich war aber auch eine spannende Sache, da ich das noch nie gemacht hatte.“

Die zweite Frage ging an den Schauspieler Tobias Schill: Ist es Ihnen schwergefallen, Ihre (langen) Texte in der altertümlichen Sprache vorzutragen? Ist Ihnen aus diesem Grund die Identifizierung mit diesen Rollen schwerer gefallen?

Tobias Schill: „Die Identifizierbarkeit mit einer Rolle entsteht für mich auf einer eher inneren -inhaltlich-psychologischen- Ebene: Was erlebt die Figur? Was macht sie durch? Und was kommt mir gefühlsmäßig bekannt vor? Sprachlich läuft es dann am Ende auf dasselbe Gefühl oder innere Problem heraus, egal ob altertümlich oder modern oder gar Slang. Faust transportiert es so: „Beim Himmel dieses Kind ist schön, so etwas hab‘ ich meine Tage nicht gesehn!“ Und auf dem Pausenhof hört es sich so an: „Boah Alter, ist die hübsch!“ Aber am Ende geht’s um dasselbe Gefühl.“

So haben wir die Inszenierung zu Hause erlebt:

Nach ausführlicher Lektüre von Goethes Faust war ein Theaterbesuch leider nicht möglich. Aber es bot sich uns die Möglichkeit, die Aufführung des Kreilos-Theaters im Internet anzuschauen. Auf einer kleinen Bühne schlüpften dort zwei Schauspieler, ein Mann und eine Frau, in die Rollen der Tragödie. Hierbei tauschten die beiden Darsteller ständig ihre Rollen und bauten die Bühne selbst um. Obwohl die Rollenbesetzung also immer wieder wechselte, behielt der Zuschauer den Überblick, da die Kleidung verdeutlichte, wer gerade dargestellt wurde. Dies lag nicht zuletzt an den Kostümen, die einen Wiedererkennungswert darstellten, auch durch die farbige Gestaltung (Mephisto trug zum Beispiel eine schwarze Lackjacke). Des Weiteren wurden fehlende Schauspieler durch Handpuppen ersetzt oder es waren nur deren Stimmen zu hören.

Auch bei der Darstellung ging das Theater neue Wege. So dienten schwarze Laken als Hintergrund und ungewöhnliche Requisiten wie VR-Brille, Laptop und Handy stellten eine Verbindung zur heutigen Zeit dar. Dies machte die Handlung besser nachvollziehbar, gerade auch weil das Meisterwerk in vergangenen Jahrhunderten geschrieben wurde. Ein besseres Verständnis konnte zudem durch eine vereinfachte Sprache und eindringliche Wortwiederholungen erzielt werden. Dabei durfte auch ein Bezug zur Corona-Pandemie nicht fehlen: Zum Beispiel erfolgte die Unterzeichnung des Teufelspaktes, den Faust eingeht, auf einem Mundschutz, was der Szene einen ironischen Beigeschmack gab.

Insgesamt wurden nur die wichtigsten, handlungsvorantreibenden Szenen übernommen. Angepasst wurde der Teufel Mephistopheles, der tierischer wirkte und auf allen Vieren lief. Im Großen und Ganzen fanden wir die Umsetzung sehr kreativ und unterhaltsam. Besonders gut gefallen haben uns die beiden sehr überzeugenden Schauspieler und deren tolle sprachliche Umsetzung der komplexen Tragödie, die sicherlich viel Konzentration und Vorbereitung erforderte. Gerade die Möglichkeit, die Inszenierung durch einen Link im Internet anzuschauen, war für viele interessant und ein entspanntes Erlebnis. Vor allem in Zeiten von Corona handelte sich hierbei um eine gelungene Alternative, Faust ins Wohnzimmer zu bringen. Diese bequemere Möglichkeit ermöglichte es uns sogar, die Vorführung stressfrei in mehreren Etappen anzusehen und für einen gelungenen und abrundenden Abschluss unserer Faust-Einheit zu sorgen.

Noch eine abschließende Frage an den Regisseur: Wie lange hat es gedauert, so ein Theaterstück auf die Beine zu stellen, von der Planung bis zur Videoaufführung?

Thorsten Kreilos (Regisseur): Mit der Planung angefangen haben wir im Mai 2019. Das heißt: Zu dem Zeitpunkt habe ich mich zum ersten Mal mit der Bühnenbildnerin getroffen – für die ersten Gespräche wegen der Konzeption der Inszenierung. Die Premiere sollte dann Anfang Mai 2020 sein. Da hatte uns dann Corona aber einen ordentlichen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Premiere hat dann Anfang Oktober 2020 stattgefunden. Den ganzen Anfang – also die „Zueignung“ – haben wir schließlich für die Videoproduktion neu gestaltet, weil die Schauspieler die Texte eigentlich direkt an die Zuschauer gerichtet hätten – in einer Live-Situation. Für die Filmaufnahmen mussten wir das anders „auflösen“, weil die Schauspieler jetzt natürlich in die Kamera sprechen mussten. “

Am Ende wollen wir nochmals den Schauspielern und dem Regisseur für die ausführliche Beantwortung unserer Fragen danken! Wir hoffen auf ein baldiges Wiedersehen „in echt“ und freuen uns darauf, weitere Stücke des Kreilos-Theaters in unserer Schule zu sehen.

Deutschkurs, J1 (Frau Treiber)

"Die beiden nachfolgenden Fotos sind Eigentum von Stefan Mesitschok, argusdesign"